
Der Wels - zwischen Fakten und Fiktion
Der Brombachsee Wels 2025 – eine fischkundliche Dokumentation
Als im Juni 2025 ein gut zwei Meter langer Europäischer Wels (Silurus glanis) im Großen Brombachsee mehrere Badegäste biss, überschlugen sich die Schlagzeilen. Von einem „Monsterfisch“ war die Rede, von panischen Urlaubern und schließlich von der Polizei, die das Tier während des Techno-Festivals Burning Beach erschoss. Manchem klang das nach Sensationspresse – doch die Episode lohnt eine nüchterne Betrachtung, denn sie offenbart ein klassisches Konfliktfeld zwischen Freizeitnutzung und Fischökologie. Im Folgenden wird der Ablauf der Ereignisse nachgezeichnet, biologische Hintergründe erläutert und aufgezeigt, welche Schlüsse vor allem wir Angler daraus ziehen können.
1 | Rekonstruktion der Ereignisse
Der 20. Juni 2025 war ein warmer Frühsommertag. Im Flachwasser vor einer Badeplattform genoss eine Festival-Besucherin das Bad, als sie plötzlich einen scharfen Ruck am Unterschenkel spürte – der Beginn einer Serie von fünf Vorfällen, alle innerhalb weniger Stunden, alle mit demselben Verursacher: einem wuchtigen Wels mit geschätzten 90 Kilogramm Gewicht. Die herbeigerufenen Einsatzkräfte entschieden sich aus Sorge vor weiteren Attacken zu einer drastischen Maßnahme und töteten den Fisch per Dienstwaffe. Kurios mag klingen, was danach geschah: Ein ortskundiger Angler barg den noch warmen Körper, filetierte ihn und bot ihn einem Gasthof in Wettelsheim an. 120 Portionen später war aus dem „Problemwels“ eine lokale Delikatesse geworden.
Nur zwei Wochen darauf, am 3. Juli, biss ein weiteres – deutlich kleineres – Exemplar einen Schwimmer, diesmal in der Nähe von Absberg. Die Badeplattform dort wurde vorsorglich entfernt, eine generelle Badewarnung erließ man jedoch nicht. Damit zeigte sich bereits, dass der Abschuss eines einzelnen Tieres das Grundproblem – das Nebeneinander von Brutrevier und Badezone – nicht beseitigt hatte.
2 | Biologie eines Laichwächters
Um das Verhalten der Tiere einzuordnen, lohnt ein Blick in die Lebensphase, in der sich der Brombachsee-Wels befand. Zwischen Mai und Juli erreicht Silurus glanis in Mitteleuropa seine Fortpflanzungszeit. Die Männchen schlagen dabei in seichtem, strukturreichem Uferwasser eine flache Grube, betten sie mit Wasserpflanzen aus und bewachen anschließend Laich und Larven mit bemerkenswerter Hartnäckigkeit. Annähernde Räuber, aber auch harmlos planschende Füße oder Hände werden nicht als „Mensch“, sondern als potenzieller Gelegerivale interpretiert. Die Drohentfernung ist minimal: Erst wenn der Eindringling fast schon auf dem Nest steht, greift das Welsmännchen zu – mit einem raschen Biss, der wegen der dichten „Bürstenzähne“ oft wie Schmirgelpapier wirkt, aber immerhin blutige Schürfungen hinterlässt.
Ein zweiter Faktor kam am Brombachsee hinzu: Die basslastige Musik des Festivals übertrug sich als tieffrequente Vibration ins Wasser. Welse besitzen über den sogenannten Weber-Apparat eine direkte Verbindung zwischen Schwimmblase und Innenohr; sie reagieren daher ausgesprochen sensibel auf solche Schallwellen. Stress kann die Aggressionsschwelle weiter absenken – ein ohnehin wachendes Elterntier wird damit noch leichter zum Verteidiger auf Angriffskurs.
3 | Warum schoss die Polizei?
Aus Sicht der Einsatzkräfte standen an jenem Nachmittag mehrere verletzte Personen, ein laufendes Festival und rege Badetätigkeit im Raum. Eine rasche, gefahrenabwendende Entscheidung lag nahe. Fachlich betrachtet hätte es Alternativen gegeben: Zum Beispiel elektromagnetisches Abfischen, um den Fisch umzusetzen, oder das kurzfristige Sperren des Uferabschnitts. Beide Optionen benötigen jedoch Spezialgerät, Zeit und Personal – Ressourcen, die vor Ort womöglich nicht verfügbar waren. Die Tötung des Fisches war also nicht zwangsläufig „falsch“, aber sie löste das Grundproblem nur temporär und eröffnete zugleich eine Debatte um Verhältnismäßigkeit.
4 | Lehren für die Praxis des Angelns
Den größten Erkenntnisgewinn ziehen letztlich jene, die regelmäßig am Wasser stehen:
- Schonzeiten und Laichschutzzonen: In Bayern gilt vielerorts eine Wels-Schonzeit von Mitte Mai bis Ende Juni. Jeder gezielte Fangversuch in dieser Phase erhöht den Stress der brütenden Tiere – und, wie man gesehen hat, auch das Risiko von Zwischenfällen mit Badenden.
- Geräuschdisziplin im Flachwasser: Das klopfende Wallerholz ist außerhalb der Brutsaison eine bewährte Methode. Während der Laichzeit – oder in Badebuchten generell – sollte man darauf verzichten, um keine Reviere unnötig zu beunruhigen.
- Realistische Erwartungen an Größe und Alter: Rekordfänge von weit über 100 Kilogramm sind belegt, doch Berichte über 300-Kilogramm-„Monster“ entbehren jeder belastbaren Quelle. Ungeprüfte Sensationen schaden dem Image der Fischerei mehr, als sie nützen.
- Verwertung statt Trophäenkult: Der Brombachsee-Fisch zeigte, wie ergiebig ein einziger Großwels sein kann. Wer entnimmt, sollte konsequent verwerten – Grätenarme Filets, Räucherabschnitte, sogar Fischleder sind besser als ein achtlos entsorgter Kadaver.
5 | Schlussfolgerung
Die Vorkommnisse von 2025 sind weniger eine Geschichte von „Killerfischen“ als ein Lehrstück über Revierverteidigung, menschliche Freizeitansprüche und kommunikative Lücken zwischen Biologie, Behörden und Öffentlichkeit. Wer die Brutökologie des Welses versteht, erkennt, dass Verteidigungsbisse keine Ausnahme, sondern normales Verhalten in einer sensiblen Phase sind. Konsequente Laichschutzzonen, klare Hinweisschilder und eine abgestimmte Lärmpolitik rund um Gewässer reichen meist aus, um Konflikte zu minimieren. Für uns Angler heißt das: Wissen verbreiten, Rücksicht üben und so dafür sorgen, dass der Europäische Wels auch künftig ein faszinierender – und ungefährlicher – Bewohner unserer Seen bleibt.
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