Klimawandel und unsere Gewässer: Eine stille Katastrophe
Wie steigende Temperaturen und Nährstoffeinträge die Zukunft unserer Seen und Teiche bedrohen.
Der Klimawandel hinterlässt tiefe Spuren in unseren Gewässern, die für uns Fischer längst keine Randerscheinungen mehr sind. Steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster und Nährstoffeinträge führen zu dramatischen Veränderungen in der ökologischen Balance von Seen, Teichen und Weihern. Dieser Artikel beleuchtet die Folgen dieser Entwicklungen und zeigt, welche Maßnahmen wir ergreifen können, um unsere Gewässer und die Fischbestände zu schützen.
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel von Dr. Werner Baur, erschienen in der Zeitschrift „Fischer & Teichwirt“ (Ausgabe 11/2024). Dr. Baur ist Mitglied des Landesfischereiverbandes Baden-Württemberg.
Der Einfluss der Klimaerwärmung auf die Wassertemperaturen ist gravierend. Eine 30-jährige Studie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei sowie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zeigte, dass die Oberflächentemperaturen der deutschen Seen pro Jahrzehnt um 0,50 °C gestiegen sind – schneller als die Lufttemperaturen mit 0,43 °C. Diese Erwärmung hat weitreichende Folgen, insbesondere auf Sauerstoffgehalt und Artenvielfalt.
Sauerstoffmangel – Eine unsichtbare Gefahr
Mit steigenden Temperaturen sinkt die Löslichkeit von Sauerstoff im Wasser. In der lichtdurchfluteten Oberflächenschicht (Epilimnion) entweicht überschüssiger Sauerstoff in die Atmosphäre, während in den tieferen Schichten (Hypolimnion) die Zirkulation stagniert. Studien zeigen alarmierende Sauerstoffwerte von unter 2 mg/l in tiefen Gewässern während der Sommer- und Herbstmessungen – ein Wert, der für viele Fischarten und das Makrozoobenthos kritisch ist.
Szenarien für die Zukunft
Die Forscher rechneten verschiedene Klimaszenarien durch:
- Szenario 1: Ungebremste Emissionen führen zu einer Erwärmung der Oberflächentemperaturen um 4,4–5,4 °C bis zum Ende des Jahrhunderts.
- Szenario 2: Mäßige Emissionssenkung ab Mitte des Jahrhunderts begrenzt den Anstieg auf 2,4–3,2 °C.
- Szenario 3: Die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens könnte den Anstieg auf 1,5–2,0 °C begrenzen.
Bei Szenario 1 verlängert sich die sommerliche Schichtung um bis zu 38 Tage, was den Sauerstoffgehalt drastisch reduziert und tiefgreifende Folgen für die Fischbestände, das Makrozoobenthos und die chemischen Prozesse am Seegrund hat.
Auswirkungen auf Fischbestände
Die Folgen der Erwärmung zeigen sich deutlich am Beispiel des Bodensees. Die Grundtemperatur des Sees stieg von 4,3 °C im Jahr 2013 auf 5,4 °C im Jahr 2023. Diese Entwicklung bedroht die Fortpflanzung der Felchen und erschwert es adulten Tieren, ihre Jagdgründe in der warmen Deckschicht zu erreichen. Ähnlich betroffen sind Forellenzuchten: Bis zu 77 % der derzeitigen Zuchten könnten bis zum Jahrhundertende unter ungünstigen Klimabedingungen leiden.
Was können wir tun?
Es gibt konkrete Ansätze, um die Auswirkungen abzumildern:
- Reduktion von Nährstoffeinträgen: Die Minimierung von Stickstoff und Phosphor kann das Algenwachstum begrenzen und so den Sauerstoffverbrauch durch deren Abbau verringern.
- Optimierung der Bewirtschaftung: Anpassungen wie geringere Besatzdichten, vermehrtes Abfischen im Herbst und arbeitsteilige Verfahren können die Resilienz der Gewässer erhöhen.
- Förderung von Klimaschutzmaßnahmen: Die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens bleibt ein zentraler Hebel, um die Erwärmung zu begrenzen.
Unsere Gewässer stehen vor einer ungewissen Zukunft. Doch durch nachhaltige Bewirtschaftung und entschlossene Klimaschutzmaßnahmen können wir einen Beitrag leisten, ihre Vielfalt und Funktionalität zu bewahren. Es liegt in unserer Verantwortung, jetzt zu handeln.
Quelle: Dr. Werner Baur, Landesfischereiverband Baden-Württemberg, erschienen in „Fischer & Teichwirt“, Ausgabe 11/2024.